26
Sam hatte plötzlich das Gefühl, als hätte ihm jemand einen angespitzten Pfahl ins Gehirn gerammt.
»Sie kennen ihn? Den Fremden?«
»Ja. Er sagte, Sie würden ihn den >geheimnisvollen Fremden< nennen.«
»Dann haben Sie Hacking also doch betrogen?«
»Die kleine Rede, die ich gerade hielt, war nur für die Ohren der anderen bestimmt«, sagte Firebrass. »Ja, ich habe Hacking betrogen, wenn Sie darauf bestehen, dieses Wort weiterhin zu benutzen. Aber ich sehe mich selbst als Agenten einer höheren Instanz. Ich habe keine Lust, meine Zeit damit zu verschwenden, wie man am besten schwarze oder weiße Staaten an diesem Fluß aufbaut, wenn es viel wichtiger ist, herauszufinden, wer oder was für das Hiersein der gesamten menschlichen Rasse verantwortlich ist. Ich verlange Antworten auf meine Fragen, wie Karamasow einst sagte. Die schwarz-weißen Rangeleien hier sind ungeachtet der Bedeutung, die sie einst auf der Erde hatten, doch nichts als Trivialitäten. Hacking muß meine Einstellung irgendwie gespürt haben, obwohl ich sie vor ihm verbarg.«
Es dauerte einige Zeit, bis Sam diesen Schock überwand. Inzwischen hatte der Kampf um Parolando seinen Höhepunkt erreicht. Obwohl Iyeyasu gegen jeden der schwarzen Verteidiger drei Männer ins Feld schickte, wurde seine Armee unerbittlich zurückgetrieben. Schließlich traf Sam die Entscheidung, daß die Zeit reif zum Handeln sei, und sie machten sich auf den Weg zu der Umzäunung, hinter der die Gefangenen warteten. Lothar feuerte zwei Raketen auf das Eingangstor des Lagers ab, und noch ehe der Rauch sich verzogen hatte, stürmte Sam mit seiner Truppe hinein. Cyrano und Johnston knöpften sich das Wachpersonal vor. Während der Franzose mit gezückter Klinge auf die überraschten Wächter eindrang, erledigte Johnston vier Mann mit seinem Tomahawk und drei weitere mit Wurfmessern. Allein mit Händen und Füßen brach er zwei Verteidigern Rippen und Beine. Sofort brachte man die Freigelassenen zur Waffenfabrik, wo sie mit Schwertern, Pfeilen und Bogen ausgerüstet wurden.
Sam schickte je einen Kurier nach Norden und Süden. Die Männer sollten versuchen, die Grenzwälle zu überwinden und die Geflüchteten zur Rückkehr zu veranlassen.
Dann führte er seine Leute in die Hügel. Sie wollten in der Umgebung der Staumauer ein Lager aufschlagen und den weiteren Verlauf der Schlacht abwarten. Was dann kam, stand noch in den Sternen. Sam hatte keinen bestimmten Plan; er wollte die Dinge ganz einfach auf sich zukommen lassen.
Schon bald darauf hatte er die unerwartete Gelegenheit, dem Himmel dafür zu danken, daß er nicht auf die Idee gekommen war, seine Leute direkt auf der Staumauer selbst kampieren zu lassen. Man hatte sich auf die links und rechts davon aufragenden Hügel zurückgezogen, die einen ausgezeichneten Ausblick auf die Ebene boten, wo noch immer der Raketenangriff tobte, auch wenn er mittlerweile etwas schwächer geworden war. Das Sternenlicht spiegelte sich auf dem Wasser, und über allem schien ein tiefer Frieden zu liegen.
Plötzlich sprang Johnston auf und rief: »Da hinten! Seht euch das an! An der Staumauer!«
Drei finstere Gestalten zogen sich, aus dem Wasser kommend, an der Innenseite der Staumauer hoch. Sofort gab Sam den Befehl, hinter den Eisenbäumen in Deckung zu gehen. Gleichzeitig preschten Joe Miller und Johns ton auf die Mauer los und rannten auf die Unbekannten zu. Einer der Fremden versuchte Joe ins Wasser zu werfen, was ihm aber nicht gelang, weil der Titanthrop im gleichen Moment ihm schon das Leben aus dem Leib quetschte. Die anderen wurden von Johnston niedergeschlagen. Als die Männer wieder das Bewußtsein erlangten, erübrigte es sich, daß sie Sam erzählten, was sie getan hatten. Er nahm an, daß sie einem Befehl Johns gefolgt waren.
Die Erde vibrierte plötzlich unter ihren Füßen. Die Äste der mächtigen Eisenbäume zitterten wie Porzellanteller in einem Schrank. Dann flog mit einem solchen Knall, der ihnen beinahe die Trommelfelle zerriß, der Damm auseinander. Die Explosion erzeugte eine undurchdringliche Staubwolke. Gewaltige Steinquadern segelten durch die Luft wie Papierschwalben, dann rollten die aufbrüllenden Wassermassen zu Tal. Der See wirkte nun gar nicht mehr so friedlich. Mit roher Kraft riß er seine Ufer ein und wälzte sich auf die Mauer zu. Sein Brausen war so gewaltig, daß jede Verständigung unmöglich wurde.
Hunderttausende von Tonnen Wasser jagten durch den engen Canyon, spülten Erdwälle vor sich her und rissen Bäume um. Die Wassermassen unterspülten die Ufer, daß die Erde sich zu bewegen begann und Sams Leute gezwungen waren, noch höher zu klettern, wenn sie nicht mit in die Tiefe gerissen werden wollten. Ein am Rande des Sees stehender Eisenbaum begann sich plötzlich zu neigen, fiel um, knallte mit der Spitze auf das gegenüberliegende Ufer und rutschte dann, gewaltige Erdmassen und andere Bäume mit sich reißend, in den sich leerenden Stausee hinein. Die Wassermassen ergriffen ihn wie einen Zahnstocher, wirbelten ihn umher und drückten ihn schließlich durch die Mauerbresche in den Canyon hinein, wo er eine halbe Meile weit fortgespült wurde und sich schließlich zwischen den engen Wänden verkeilte. Wie eine hundert Meter hohe Wand jagte das Wasser zu Tal und überspülte die Ebene. Es trieb dabei ausgerissene Bäume, Erdreich, Hütten, Menschen, Abfallberge und ganze Bambuswälder vor sich her, jagte über das Hauptland von Parolando dahin und spülte alles und jeden in den Fluß hinein.
Die Fabrikhallen zerbarsten, als wären sie aus Stroh. Das gewaltige Schiff, das noch immer auf seiner Werft stand, wurde wie ein Spielzeugboot von den Wellen ergriffen, hochgehoben und beiseite geschubst. Die Baugerüste knickten ein. Die Schiffshülle tauchte in den Fluten unter und verschwand, und Sam warf sich zu Boden und bearbeitete das Gras mit beiden Fäusten. Sein Boot war verschwunden! Alles war vernichtet, die Fabriken, Gruben, Flugzeuge, Amphibienfahrzeuge, Schmieden, Waffenkammern und seine Mannschaft! Aber das Schlimmste von allem war, daß er nun auch noch sein Schiff verloren hatte. Sein Traum war zerbrochen, der große, glitzernde Edelstein, den er in seinen Träumen gesehen hatte, in Milliarden Stücke zerschmettert.
Er lag mit dem Gesicht im kalten, feuchten Gras. Seine Finger schienen mit dem Boden verwachsen zu sein, als wolle die Erde dieses Planeten sie nie wieder freigeben. Aber dann packte Joe ihn von hinten und setzte ihn hin. Er kam sich wie eine Marionette vor. Joe umarmte und drückte ihn. Er sah sein groteskes Gesicht, die wildwuchernden Augenbrauen und die absurde lange Nase direkt über sich.
»Fie find alle weg«, sagte Joe. »Jefuf! Welch ein Anblick. Ef ift nichtf von ihnen übrig, Fäm.«
Die Ebene lag immer noch unter Wasser, aber fünfzehn Minuten später hatte sich die Lage entscheidend geändert. Der Fluß hatte wieder seine normalen Dimensionen angenommen. Die Ufer von Parolando sahen wieder aus wie zuvor.
Die großen Gebäude waren ebenso verschwunden wie das halbfertige Schiff und das Werftgelände. Die zyklopenhaften Wälle, die das Industriegebiet Parolandos vom übrigen Teil des Uferlandes abgrenzten, existierten nicht mehr. Da und dort, wo man Grabungen vorgenommen hatte, befanden sich jetzt kleine Seen. Dort, wo man den Grasteppich nach langer Bearbeitung endlich hatte aufreißen können, hatte die Flut die Gruben vertieft. Anderswo war es nicht einmal ihr möglich gewesen, das langwurzelige Gras aus der Erde zu reißen.
Die Stein- und Erdwälle, die das Ufer Parolandos umsäumt hatten, waren verschwunden; weggespült wie Sand.
Der Himmel wurde blasser, dann grau. Die gewaltige Flotte der Eroberer existierte nicht mehr, sie war flußabwärts getrieben und zerschmettert worden. Die Kräfte der Natur hatten sie zu Fetzen zerrieben. Nur hie und da trieb noch ein Schiff Kieloben, umgeben von Balken und anderem Treibgut, in den Fluten. Nichts deutete darauf hin, daß man noch vor wenigen Minuten hier eine erbitterte Schlacht geschlagen hatte.
Das Wasser hatte nur dem unmittelbaren Zentrum von Parolando geschadet, und das waren weniger als zehn Prozent seiner Fläche. Die Gebäude, die am Rand dieser Zone lagen, schienen nur teilweise beschädigt zu sein.
Mit dem Morgengrauen strömten über tausend Leute über die nördliche Grenze aus Chernskys Land nach Parolando. Viele kamen auch in Booten. Angeführt wurden sie von König John.
Sam ließ seine Leute Kampfformationen einnehmen und stellte Joe Miller in den Mittelpunkt, aber John näherte sich ihnen furchtlos und bedeutete Sam mit einem Handzeichen, daß er in Frieden käme. Obwohl er zugab, was er hinter Sams Rücken angestellt hatte, schien er keinen Anlaß zu sehen, sich seines Mitherrschers jetzt zu entledigen. Erst später fiel Sam ein, daß John weder auf seine noch auf die Mitarbeit anderer Leute – wie etwa die Firebrass – verzichten konnte, wenn er vor hatte, irgendwann auf einem metallenen Schiff flußaufwärts zu fahren. Abgesehen davon bereitete es ihm sicherlich noch eine perverse Freude, Sam darüber spekulieren zu lassen, wann der Dolch endlich aus dem Hinterhalt zustieß.
Wie sich rasch herausstellte, brauchten sie doch nicht wieder ganz von vorne zu beginnen. Man hatte das Schiff fast unbeschädigt eine Meile weiter flußabwärts aufgefunden, wo der Fluß es ziemlich sanft an das andere Ufer getragen hatte. Natürlich würde es Anstrengung kosten, es wieder nach Parolando zurückzuschaffen; aber immerhin weitaus weniger als ein neues zu bauen.
Mehrere Male kam John auf das zu sprechen, was ihn dazu bewegen hatte, hinter Sams Rücken ein Geschäft mit Hacking einzugehen, aber die Undurchsichtigkeit seiner Erklärungen war derart, daß es Sam niemals ganz gelang, die Bruchstücke zu einem Ganzen zusammenzusetzen. John hatte Sam zwar betrogen, gleichzeitig aber genau gewußt, daß auch Hacking ihn anschließend ausbooten würde. Er hatte sogar fest damit gerechnet und wäre, wie er sagte, äußerst überrascht gewesen, wenn es nicht so gekommen wäre. Das hätte geradezu seinen Glauben an die menschliche Natur zerstört.
Deswegen hatte er sich mit Iyeyasu in Verbindung gesetzt, dem der Gedanke, nachzustoßen, wenn Hackings Truppen nach der Invasion geschwächt sein mußten, ziemlich gut gefallen hatte. Im letzten Moment hatte John dann noch einen Handel mit Publius Crassus, Tai Fung und Chernsky gemacht: Deren Krieger sollten gegen Iyeyasu vorgehen, sobald dieser Hacking erledigt hatte. Gleichzeitig hatte er geplant, in dem Augenblick, wenn beide Invasionsarmeen sich auf der Zentralebene aufhielten, den Staudamm zu sprengen. Er hatte sich, kurz bevor Hackings Leute zuschlugen, in einem Boot durch den Nebel davongemacht.
»Dann warst du gar nicht in deinem Palast, als die Kanone darauf abgefeuert wurde?« fragte Sam.
»Nein«, gab John lächelnd bekannt. »Ich war bereits weit oben im Norden, auf dem Weg zu Iyeyasu. Du hast zwar nie viel von mir gehalten, Samuel, aber zumindest jetzt solltest du vor mir auf die Knie sinken und dankbar meine Hände küssen. Wenn ich nicht gewesen wäre, hättest du alles verloren.«
»Wenn du mir gesagt hättest, daß Hacking plante, uns zu überrennen, hätte ich alles behalten«, sagte Sam. »Wir hätten ihm eins über die Mütze geben können.«
Die Sonne ging auf und schien auf Johns Haar und seine eigenartig graublauen Augen. »Nun ja, aber dann wäre Iyeyasu doch immer noch ein großes Problem für uns gewesen. Jetzt haben wir auch ihn vom Hals und damit steht uns nichts mehr im Wege, all das Land an uns zu reißen, was wir sowieso gebraucht hätten, einschließlich des Bauxits, des Platins und all der anderen Dinge. Ich nehme an, daß du jetzt nichts mehr dagegen hast, wenn wir Selinujo und Hackings Land unterwerfen?«
Der Nachmittag brachte zwei weitere wichtige Nachrichten: Man hatte Hacking gefangengenommen, und Gwenafra lebte. Beide hatten sich während der Kämpfe in die westlichen Hügel durchgeschlagen, wo Hacking einige seiner Leute gesammelt hatte und sie erneut in den Kampf zu führen versuchte. Aber dazu war es nicht mehr gekommen. Die herabstürzenden Wassermassen hatten seinen Trupp vernichtet, und er selbst war gegen einen Baum geschleudert worden. Er hatte einen Arm und beide Beine gebrochen und litt außerdem an inneren Blutungen.
Sofort machten Sam und John sich auf den Weg, um sich den Verletzten anzusehen. Er lag immer noch am Fuße des Eisenbaums, wo man ihn gefunden hatte. Gwenafra brach in Tränen aus, als sie den Punkt erreichten, und umarmte sowohl Sam als auch Lothar. Sam kam es so vor, als hätte sie ihn länger im Arm behalten, was nicht verwunderlich war, da sie sich mit ihrem Gefährten während der letzten Monate des öfteren in den Haaren gelegen hatte.
John verlangte, daß Hacking einer ausgeklügelten Folter unterworfen werden müsse, und je eher das nach dem Frühstück der Fall sei, desto besser. Sam verwandte sich dagegen, und zwar mit aller Kraft, aber dennoch wußte er, daß John sich seinen Willen ohne weiteres würde erfüllen können, wenn er darauf bestand, schließlich kamen auf fünfzig seiner Leute nur ein Mann von Sam. Aber schließlich sagte er nichts mehr; es schien ihm wichtiger zu sein, seinen nun kein Mißtrauen mehr hegenden Partner in Sicherheit zu wiegen. Und außerdem konnte er auf Sam Clemens und seine Freunde nicht verzichten.
»Du hattest einen Traum, weißer Sam«, sagte Hacking mit schwacher Stimme. »Nun, auch ich hatte einen. Ich träumte von einem großen Soul City, einem Land, in dem unsere Seelenbrüder und Seelenschwestern in Frieden leben und ein Selbstbewußtsein entwickeln können. Ein Land, in dem alle Menschen schwarz sind. Du kannst einfach nicht verstehen, was das bedeutet, ein Land ohne weiße Teufel und ohne blaue Augen: Nur schwarze Brüder. Es hätte für uns der Himmel werden können, wenn man davon auf diesem Höllenplaneten überhaupt sprechen kann. Nicht daß wir dann nicht hin und wieder auch den einen oder anderen Ärger gehabt hätten, Mann. Aber das wäre dann wenigstens kein Ärger wegen eines Weißen gewesen, sondern unser eigener, verstehen Sie? Wir wären damit ganz alleine fertig geworden. Aber es hat nun mal nicht sollen sein.«
»Sie hätten sich Ihren Traum erfüllen können«, sagte Sam, »wenn Sie nur ein wenig gewartet hätten. Wir wären nach der Fertigstellung unseres Schiffes gegangen, und das restliche Metall in diesem Boden wäre dem zugefallen, der es sich genommen hätte. Und dann…«
Hacking verzog schmerzlich das Gesicht. Seine Stirn war schweißbedeckt.
»Sie scheinen wirklich einen an der Mütze zu haben, Mann«, erwiderte er. »Glauben Sie denn wirklich, ich hätte Ihnen auch nur eine Sekunde diese Geschichte von der wunderbaren Suche nach dem Großen Gral abgekauft? Ich wußte von Anfang an, daß Sie nichts weiter planten, als mit Ihrem Riesenkahn die Schwarzen zu unterwerfen und sie wieder in Ketten zu legen! Kann man von einem alten Südstaatler wie Ihnen denn überhaupt etwas anderes erwarten?«
Er schloß die Augen, und Sam sagte: »Aber das ist doch alles gar nicht wahr! Wenn Sie nur den Versuch unternommen hätten, mich kennenzulernen… Statt dessen haben Sie mich in eine Schablone gepreßt…«
Hacking blickte zu ihm auf und sagte: »Sie würden doch einen Nigger sogar dann noch anlügen, wenn er vor Ihnen auf dem Sterbebett läge, oder etwa nicht? Passen Sie auf! Der einzige, der mich hier wirklich erschütterte, war dieser alte Nazi Göring. Ich hatte keinesfalls angeordnet, ihn zu foltern, müssen Sie wissen. Er sollte nur sterben. Aber Sie kennen ja diese fanatischen Araber selbst. Jedenfalls gab Göring mir eine Botschaft. Er sagte Das Heil und Wohlergehen sei mit dir, Bruder meiner Seele, oder so ähnlich. Und ich verzeihe dir, da du nicht weißt, was du tust. Irgend so etwas. Ist das nicht ein Hammer? Eine Liebesbotschaft von einem alten Nazi! Aber er hat sich geändert, müssen Sie wissen. Und vielleicht hat er sogar recht. Vielleicht haben alle diese Chancisten recht, wer weiß das schon? Es ist doch absoluter Schwachsinn, uns alle wieder ins Leben zurückzurufen, bloß damit irgend jemand einen wieder herumstoßen oder in den Staub zwingen kann, finden Sie nicht auch?«
Er schaute Sam plötzlich an und sagte: »Erschießen Sie mich, bitte, tun Sie’s. Erlösen Sie mich von diesen verdammten Schmerzen. Ich kann’s kaum noch aushallen.«
Lothar stellte sich neben Sam und sagte: »Nach dem, was Sie Gwenafra angetan haben, wird es mir ein Vergnügen sein.«
Er setzte den Lauf seiner Pistole an Hackings Schläfe.
Hacking grinste mit schmerzverzerrtem Gesicht und murmelte: »Breche niemals deine Prinzipien! Das habe ich mir schon auf der Erde geschworen, aber diese Frau erweckte einfach den Teufel in mir. Aber was soll’s? Was ist mit all den schwarzen Sklavenfrauen, die ihr Weißen vergewaltigt habt?«
Als Sam sich von ihm abwandte, krachte der Schuß. Sam fuhr zusammen, ging jedoch weiter. Schließlich hatte Lothar sich Hacking gegenüber noch milde verhalten, denn der Tod bedeutete hier nichts außer einem Ortswechsel. Morgen schon würde Hacking wieder auf den Beinen sein. Vielleicht sahen sie sich sogar eines Tages wieder, obwohl Sam darauf momentan überhaupt keinen Wert legte.
Lothar holte ihn ein. »Ich hätte ihn leiden lassen sollen«, sagte er, »aber von alten Gewohnheiten kann man sich schwer lösen. Ich hatte vor, ihn umzubringen, also tat ich es. Der schwarze Satan hat mich dabei sogar noch angelacht.«
»Sei still«, erwiderte Sam, »sonst fange ich an zu kotzen. Ich bin nahe dran, alles hinzuschmeißen und meine Tage als Missionar zu fristen. Die einzigen, deren Leiden heutzutage wirklich Gewicht haben, sind die Leute von der Zweiten Chance.«
»Du wirst darüber wegkommen«, sagte Lothar, und es stimmte. Aber Sam brauchte drei Jahre dazu.
Dann sah das Land wieder so aus wie vor der doppelten Invasion: eine stinkende Kraterlandschaft, über der schwarze Rauchfahnen hingen. Und das große Schiff war fertig. Es gab nichts mehr zu tun, als es auszuprobieren. Selbst der allerletzte Handgriff, die beiderseitige Beschriftung des Bugs, war getan. Große, schwarze Lettern auf weißem Untergrund verkündeten den Namen des Schiffes. Zehn Fuß oberhalb der Wasserlinie stand Nicht Vermietbar.
»Was hat der Name zu bedeuten, Sam?« hatten mehrere Leute ihn gefragt.
»Im Gegensatz zu vielen anderen Worten, die gesprochen oder gedruckt wurden«, hatte Sam erwidert, »bedeutet dies genau das, was es ausdrückt. Daß dieses Schiff von niemandem gechartert werden kann. Daß es frei ist wie seine Mannschaft und niemandem Untertan.«
»Und weshalb heißt die Barkasse Plakate Ankleben verboten?« fragten andere.
»Das hängt mit einem Traum zusammen, den ich einmal hatte«, gab Sam zurück. »Darin versuchte mich irgend jemand dazu zu überreden, ihm die Außenhülle des Schiffes als Reklamefläche zu vermieten. Ich sagte diesem Burschen, daß ich nicht einmal die Barkasse dafür hergäbe, damit irgendwelche Krämerseelen ihre Waren darauf anpreisen. >Für wen halten Sie mich?< sagte ich zu ihm. >Glauben Sie, ich mache Werbung für den Zirkus Barnum? Für die Größte Schau der Welt.<«
Was diesen Traum anging, so gab es über ihn noch einiges mehr zu berichten, aber Sam erzählte lediglich seinem Freund Joe Miller davon.
»Der Witz bei diesem Traum war folgender: Der Mann, der die Plakate aufhängen wollte – auf ihnen wurde übrigens der Start des besten und schönsten Schiffes aller Zeiten angekündigt – und ich waren nämlich miteinander identisch!«
»Daf kapier ich nicht, Fäm«, sagte Joe.
Da gab Sam es auf.